Die kleinen Kirchen von Aschtarak

Viele mag es überraschen, aber auch das heutige Armenien war ein Teil der alten Seidenstraße. Die Bedeutung der Stadt an der Seidenstraße lässt sich in ihrem Namen selbst erkennen. Aschtarak bedeutet ins Deutsche übersetzt „Turm“ oder „Festung“. Dies lässt darauf schließen, dass hier bereits im Altertum eine befestigte Stadt existiert hat, was immer ein Zeichen von wirtschaftlicher Prosperität ist. Im 13. Jahrhundert hatten die Mongolen das Sagen über Aschtarak, wie auch ab 1278 über das Chinesische Kaiserreich (Yuan-Dynastie 1278-1368). Heute ist von der Prosperität nicht mehr allzu viel zu sehen, aber dafür lassen sich die kleinen Kirchen von Aschtarak bestaunen.

Die am Fluss Kassagh gelegene Stadt Aschtarak ist nicht nur wegen der über ihr errichteten Brücke aus dem 17. Jahrhundert eine Reise wert, sondern auch wegen der vielen kleinen Gotteshäuser, von denen mehr als eines zu den wohl kleinsten Kirchen der Welt gehört.

Die Schönheit Armeniens

Die Sankt-Marian-Kirche

Ein besonders gutes Beispiel, für eine Kirche im Miniformat ist die Sankt-Marian-Kirche (Surb Mariane). Die auf das Jahr 1281 zu datierende Kirche besitzt die für die Region typische Form einer Kreuzkuppelkirche. Die äußeren Abmessungen kommen auf unglaubliche 11,45 x 8,88 Meter. In der nach oben gerichteten Form zeigt sich der Einfluss der mongolischen Herrschaft. Auch der schmale Tambour, das runde Zwischenglied zwischen Gewölbe und Dach, und das steile Pyramidendach zeugen von diesem Einfluss. Verglichen mit den riesigen Kirchenbauten bei uns, erscheint es fast abwegig, dass in dieser kleinen Kirche auch heute noch Gottesdienste abgehalten werden, aber dies ist der Fall.

Die Legende der drei Schwestern

Drei Schwestern, so heißt es in der Legende, seien in den gleichen Mann verliebt gewesen. Prinz Sarkis war ihr Auserwählter. Damit die jüngere Schwester mit ihm glücklich werden konnte, beschlossen die beiden älteren Schwestern, sich das Leben zu nehmen. Gekleidet in ein rotes sowie ein apricotfarbenes Gewand, stürzten sie sich die Schlucht von Aschtarak hinunter. Als die jüngere Schwester den Selbstmord der beiden Älteren bemerkte, stürzte auch sie sich die Schlucht hinunter, in einem weißen Kleid. Sarkis entsagte sich daraufhin der Welt und lebte zurückgezogen als Eremit. Doch an den drei Ecken der Schlucht entstanden drei Kirchen. Sie tragen noch heute die Namen der Kleider der drei Schwestern.

Die Kirche der roten Schwester

 

Die Aprikosenfarbene

Die erste dieser Kirchen ist die Basilika Tsiranawor, „die Aprikosenfarbene“. Von ihr ist heute nur noch eine Ruine übrig, die sich nicht eindeutig datieren lässt. Frühe Teile des Gemäuers könnten aus dem Ende des 5. Jahrhunderts stammen. Damit würde sie zu den ältesten armenischen Kirchen gehören. Diese lassen sich auf das 5. Und 6. Jahrhundert datieren.

Mit den Außenmaßen von 25,3 x 11,5 Meter ist sie knapp doppelt so groß, wie die sie Sankt-Marian-Kirche. Das sie im Laufe der Jahrhunderte restauriert wurde, belegen Inschriften von König Gagik I. Bagratuni an der Nordfassade. Seine Regentschaft umfasste die Jahre 989 bis 1020. Zwar wurde sie im 17. Jahrhundert festungsartig umgebaut, aber dies konnte nicht verhindern, dass mangelnde Instandsetzung und Erdbeben heute nur noch eine Ruine übriggelassen haben.

Die Rote

Mit der Muttergotteskapelle, die im Volksmund den Beinamen Karmrawor, „die Rote“ trägt, befinden wir uns nun in der zweiten der drei Legendenkirchen. Sie ist die zweitälteste Kirche der Stadt. Auch sie gehört zu den kleinen Kreuzkuppelkirchen und wurde in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts errichtet. Mit Außenmaßen von gerade einmal 6 x 7,5 Meter unterbietet sie sogar die Sankt-Marian-Kirche. Sie wird ebenfalls für Gottesdienste genutzt. Wie die meisten kleinen Kreuzkuppelkirchen ist auch diese als Grabkirche errichtet worden und ist von einem alten Friedhof umgeben. Auch ein Gang auf den Friedhof ist interessant. Nördlich der Kapelle sind heute immer noch Kreuzsteine, sogenannte Chatschkare aus dem 13., 14. und 17. Jahrhundert zu bewundern.

Die Weiße

Dachte man, die Größe der Karmrawon könne nicht mehr unterboten werden, so wurde die Spitakowor-Kirche, „die Weiße“, übersehen. Dies verwundert bei einem fast quadratischen Grundriss von 4,61 x 4,85 Metern auch nicht. Beim Vergleich zum Kölner Dom oder dem Michel in Hamburg kann ein Gotteshaus, das nur etwas größer als mein Studentenzimmer ist, schon einmal übersehen werden. Es wäre allerdings ein Trauerspiel, dieser kleinen Kirche nicht die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken, wie ihren Schwestern. Hier werden keine Gottesdienste mehr abgehalten, denn heute sind nur noch die Ruinenreste dieser ins 13. oder 14. Jahrhundert datierten Kirche übrig. Es wird allerdings vermutet, dass hier ab dem 4. Jahrhundert eine kleine Hallenkriche gestanden haben könnte und der Stufensockel könnte sogar aus der vorchristlichen Zeit stammen.

Besuchen Sie die kleinen Kirchen von Aschtarak

Es sind die kleinen Kirchen, die Aschtarak zu einem sehenswerten Ziel entlang der historischen Seidenstraße machen. Frage ich mich bei der Notre Dame und dem Kölner Dom immer, wie diese Gotteshäuser ohne das moderne Gerät unserer Zeit errichtete werden konnten, stellt sich mir diese Frage bei den kleinen Kirchen von Aschtarak weniger. Hier überwiegt die Verwunderung gerade bei der gegensätzlichen Frage, wieso sind so kleine Kirchen entstanden. Der Motivation der Errichtung von Prunkbauten würde ich eher widersprechen. Hier steht wohl doch mehr die Grabkirche im Vordergrund.

Aber auch kulinarisch kann sich Aschtarak behaupten: zumindest bei Walnüssen. Seit 2012 findet jedes Jahr im Oktober ein Walnussfest statt.

Sind Sie neugierig geworden auf die kleinsten Kirchen der Welt? Dann kommen Sie mit New Silk Road – powered by ChinaReisen mit nach Armenien!

Letzte Artikel von Frederik Schmitz (Alle anzeigen)