Berlin-Peking Oldtimerrallye 2019: Sarytasch-Kashgar (Tage 26-28)
Am 24. August 2019 sind 8 Teams in ihren eigenen Oldtimern und unser Service-Car auf das 52-tägige Abenteuer von Berlin nach Peking, gestartet. Die Etappe an Tag 26 führte von Sarytasch nach Kashgar in China. An den Tagen 27 und 28 waren Behördengänge erforderlich, um alle Genehmigungen zu erhalten. Vielen Dank wie immer unserem Rallyebotschafter Bernd Andrich für Berichte und Fotos, ebenso Team “Grey Lady” für die Fotos.
Tag 26: Sarytasch-Kashgar 313 km
Alle hatten die Nacht, trotz Minusgraden draußen, gut überstanden. Nach einer Katzenwäsche und einem kurzen Frühstück waren die ersten wichtigen morgendlichen Aktionen abgeschlossen. Tag 26 würde ein denkwürdiger Tag werden, denn wir würden in China einreisen. Team drei war schon lange zu Gange und räumte bereits vor dem Frühstück das Gepäck in den Volvo – der Grund waren wohl die Kühe, die schon früh am Morgen wieder auf die Weide kamen und das Zelt neugierig beschnupperten. Abfahrt: Gegen 7 Uhr ging es dann los in Richtung China – 313 km. Wir fuhren erneut in der Oldtimer-Kolonne mitten in den herrlichen Sonnenaufgang hinein.
Schon bald passierten wir den Pik Lenin, der mit seinen 7.134 m der höchste Punkt im Pamir Gebirge ist. Es war ein emotionaler und eindrucksvoller Höhepunkt für uns alle, dem sich keiner der Reisenden entziehen konnte. Insbesondere der Citroen und der Volvo 122 S hatten mit der dünnen Luft zu kämpfen, doch bergauf machte sich die Verringerung der Motorleistung auf dem gut ausgebauten Pamir Highway sehr deutlich auch für die anderen Fahrzeuge bemerkbar. Die äußerst anstrengende, 17-stündige Bergfahrt über die Grenze nach China bis Kashgar hielten aber am Ende alle Oldtimer, die Fahrer, Copiloten und Begleiter mehr oder weniger abgekämpft durch. Manchmal lagen schon die Nerven blank und zum ersten Mal bewahrheitete sich in aller Deutlichkeit die Aussage von Rainer, unserem Rallyeleiter: „Die Rallye Berlin-Peking ist mit ihren außergewöhnlichen Anforderungen an die Teilnehmer und an die Oldtimer kein Urlaub“. Er, der mehrfach von Deutschland nach Asien rollende Reisen begleitete, muss es wissen. Wir möchten jedoch an dieser Stelle noch hinzufügen, dass die vielen Entdeckungen und die Überschreitung der eigenen Grenzen das Erlebnis letztendlich zu dem machen was es ist – ein unvergessliches Abenteuer.
Am ersten Vorposten zur Grenze in Kirgistan nahmen wir noch drei Rucksack-Italiener (zwei von Ihnen waren Rentner, Ende 60.) mit, die dort in einem kirgisischen Taxi aus Osh gestrandet waren. Sie sollten jetzt die eigentlich noch etlichen Kilometer bis zum offiziellen Grenzposten laufen, aber da konnten wir glücklicherweise aushelfen.
Um an die chinesische Grenzkontrolle zu kommen, mussten wir immer wieder auf der schmalen Überholspur der Grenzstraßen an langen Schlangen auf die Abfertigung wartender Laster vorbei. Die längste war über 3 Kilometer. Mitunter warteten die Fahrer hier in knapp 3.000 m Höhe am Irkeshtam-Pass 2 Tage und mehr.
Ich habe mich entschlossen, nicht alle Kontroll-Einzelheiten von chinesischer Seite im Detail zu beschreiben, die wir durchstehen mussten, um nach Kashgar, in der Uigurischen Autonomen Provinz Xinjiang, zu gelangen. Vorweg, die Beamten waren freundlich und es gab keinerlei Schikane. Unser neuer Reiseleiter für China, Hao Lei, konnte häufig erreichen, dass die Abfertigungen durch die Beamten sich nicht weiter ausdehnten, wenn es Probleme mit den Pässen oder den Autos gab. Stundenlanges Warten zerrte natürlich trotzdem an den Nerven aller Teilnehmer. Bei der Einreise wurde unser Gepäck elektronisch kontrolliert. Ich musste meinen Rucksack auspacken, in dem mein iPhone, die Fotoausrüstung, MacBook Air, Powerbank, Ersatzakkus, Kabel, Ladegeräte usw. verstaut waren. Der Beamte schaute sich Fotos auf meinem Apparat an. Lächelnd gab er ihn mir zurück und half mir sogar wieder beim Einpacken. Mein iPhone wollte er nicht prüfen. Die im Vorfeld der Reise oft genannte Problematik, die Beamten nähmen das Smartphone und spielen eine Spy-Software auf, wurde bei uns nicht praktiziert. Ich hörte, das soll generell seit August 2019 nicht mehr erfolgen. Pech hatten wir jedoch trotzdem an dieser Kontrollstation. Während die Pass- und Gepäckkontrolle zügig ablief, stockte es mit den Autos – auch Sie mussten durch eine Scanner fahren. Es war jetzt 13.30 Uhr chinesischer Zeit, als das Signal für den Beginn einer dreistündigen Pause für die Beamten, ertönte. Wieder warteten wir, zwar immerhin in der Sonne, aber das ist bei der Höhe auch nicht ganz ohne. Danach ging es 130 km weiter zur Zollstation in Wuqia, wo wir auf einem riesigen umzäunten und bewachten Parkplatz voller Lastwagen unsere Fahrzeuge über Nacht abstellen mussten. Es war bereits Sonnenuntergang, 21.00 Uhr. Ich lenkte mich mit Fotografieren ab. Der Alvis, Baujahr 1954, mit der versinkenden Sonne im Hintergrund war mein Motiv. Noch einmal Fingerabdrücke scannen, Pässe und Gepäck elektronisch kontrollieren, Gepäck in den bereitstehenden Bus einladen und einsteigen. Wir wurden nun geradewegs etwa 120 km nach Kashgar gefahren – dachten wir. Wieder unterbrachen Passkontrollen die Fahrt. Schließlich war unsere Autobahn noch durch einen Verkehrsunfall gesperrt. Der neue Tag war schon angebrochen als wir endlich glücklich das Radisson Blu Hotel in Kashgar erreichten. Es war 2 Uhr morgens Ortszeit. Uns wurde sofort ein leckeres chinesisches Essen serviert. Wir saßen an zwei runden Tischen. In der Mitte war die typische Glasdrehscheibe, auf der immer wieder neue Teller mit warmem Gemüse, Fleisch, Fisch, Reis und Tofu aufgetragen wurden.
Endlich, um 3 Uhr machte ich das Licht in meinem Zimmer aus. Zum besseren Einschlafen rechnete ich: Start um 7 Uhr, im Bett um 3 Uhr nach Chinazeit, minus zwei Stunden Uhr schon vorgestellt ergibt 18 Stunden für die Tagesroute von Sarytasch nach Kashgar. Gute Nacht!!
Tag 27: Kashgar – Abholung der Oldtimer
Heute holten die Fahrer der Oldtimer ihre Autos in Wuqia wieder ab. Leider konnten wir die chinesischen Nummernschilder und die befristeten Führerscheine erst am Folgetag bekommen. Ich nutzte mit Hans vom Team 1 die Zeit am Vormittag für den Besuch einer vom Hotel empfohlenen Fußgängerzone. Mit dem Taxi waren wir in 15 Minuten dort, der Preis: 10 RBM, 1,50 EUR.
Nach einer polizeilichen Kontrolle der Taschen mit einem Scanner traten wir ein. Überall in der Stadt standen bewaffnete Polizeiposten mit Maschinenpistolen, Schildern und Lanzen. Vor vielen Gebäuden oder in Geschäften kontrollierten Wachleute. Obwohl man uns sicher leicht als Ausländer identifizierte, konnten wir uns frei bewegen.
Die etwas in die Jahre gekommenen Gebäude in dieser Fußgängerzone beherbergen viele attraktive Läden. Moderne Bekleidung, Sportschuhe und Sportbekleidung, Schmuck, Brillen, Smartphones nebst Zubehör. Im Obergeschoß, etwas abseits traf ich auf einen Kalligrafie-Meister. Mit einem großen vorn spitz zulaufenden Pinsel gestaltete er künstlerisch auf einem Papierbogen von 1 m Länge und 0,5 m Breite chinesische Schriftzeichen. Ich fotografierte ihn und das Geschriebene. Am Abend zeigte ich Rainer das Foto. Er konnte übersetzen. Sinngemäß hat der Meister geschrieben: Er freue sich, einen Freund getroffen zu haben. Das gefiel mir. Danke Meister.
Um 19.30 Uhr gab es im Radisson ein äußerst üppiges Buffet für uns. Drei chinesische Tänzerrinnen begleiteten nach einheimischer Musik den Abend mit Ihren grazilen Darbietungen. Am Ende wurde das übliche Gruppenfoto mit den Künstlerinnen, den Rallye-Teams und Allen, die auch dabei sein wollten, aufgenommen.
Tag 28: Kashgar – Fahrtest und Stadtbesichtigung
Die Fahrer mussten ziemlich früh zur technischen Prüfung beim Verkehrsamt aufbrechen, um die Formaltäten für den Erhalt der chinesischen Autonummern und der Führerscheine abzuarbeiten. Nach stundenlangem Warten und nur stichprobenartiger Prüfung wurde mitgeteilt, die Dokumente gibt es erst am Abend. Ich möchte unbedingt erwähnen, dass Frank von Team 7 zusammen mit Franziska von Team 5 auserwählt wurden, stellvertretend für alle Rallyefahrer einen Fahrpraxistest in der Stadt zu absolvieren. Das war für uns alle eine angespannte Situation. Was passiert, wenn die stets zügige Fahrweise von Frank nicht anerkannt wird? Es war ein echter Härtetest. Ein Polizeiauto als Führungsfahrzeug und ein zweites mit Videoaufzeichnung dahinter war die Aufstellung. Frank erinnerte sich spontan an seine Fahrstunden vor etwa 30 Jahren. Beim Linksabbiegen Schulterblick und beim Spurwechsel das Blinken nicht vergessen, als lockerer Cabrio-Fahrer trotzdem beide Hände ständig am Lenkrad lassen und das Geschwindigkeitslimit beachten. Der Test dauerte 15 Minuten. Die nachfolgende Auswertung der Daten durch die Beamten dauerte zwei Stunden. Danach kam die Erlösung. Fahrprüfung in China bestanden. Das galt nun für alle Teams.
Danke Frank und Franziska. Wir bekommen den chinesischen Führerschein!
Die Wartezeit verkürzten wir uns am Nachmittag mit dem geführten Besuch der aktiven Id-Kah Moschee, in der bis zu 20.000 gläubige Moslems an Feiertagen zum Gebet kommen. Anschließend schlenderten wir durch den nach alten Plänen sehenswert wieder aufgebauten Bereich der Altstadt. Wir legten gefühlte 3 km zurück. Hundert oder mehr kleine Handwerksbetriebe boten ihre traditionellen Waren an. Holzarbeiten, Wandteppiche, Schmuck, Bilder und mehr. Es war ein buntes orientalisches Treiben.
Sowohl über der Moschee als auch in der ganzen Stadt dominierte seit heute die Staatsflagge – Rot mit einem großen und 4 kleinen gelben Sternen. Das Land bereitet sich auf den 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 2019 vor. Die Präsenz der Fahnen und der Polizei war unübersehbar.
Beim Abendessen im Hotel nahmen wir trotz der widrigen Umstände mit Freude die für uns exotischen Führerscheine und Autonummern entgegen. Ein Höhepunkt des Abends war die Gratulation zum Geburtstag für Elif von Team 6. Wir sangen ihr mit lautem Chor das obligatorische „HAPPY BIRTHDAY“, ließen die Gläser klingen und aßen die leckere Geburtstagstorte. Sichtlich gerührt übernahm Elif spontan die Getränkerechnung des Abends. Danke dafür.
Wir wünschen allen eine pannenfreie Weiterfahrt, viele Eindrücke auf den nächsten Etappen durch die Provinz Xinjiang in China, und vor allen Dingen Geduld.
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