Berlin-Peking Oldtimerrallye 2019: Kul’Sary-Jazliq-Nukus (Tage 14-15)
Am 24. August 2019 sind 8 Teams in ihren eigenen Oldtimern und unser Service-Car auf das 52-tägige Abenteuer von Berlin nach Peking, gestartet. Die Etappen an den Tagen 14 und 15 führten von Kul’Sary in Kasachstan durch die Wüste Kyzyl Kum über Jazliq bis nach Nukus in Usbekistan. Vielen Dank wie immer unserem Rallyebotschafter Bernd Andrich für Berichte und Fotos, ebenso Team “Grey Lady” für Fotos.
Tag 14: Kul’Sary-Jazliq 451 km – Hallo Usbekistan
Kurz nach 7 Uhr starteten wir in Richtung Usbekistan. Ziel war eine sehr einfache Unterkunft an der Straße mitten in der Wüste Kysylkum. Mit 10 Grad war es trotz Sonnenschein schon etwas frischer als sonst am Morgen. Bis zur Grenze lagen rund 250 km vor uns. Vor der Grenze müssen alle Oldtimer in Beineu Benzin in ihre Tanks und Kanister für die folgende Wüstendurchquerung füllen. Bis zur nächsten Tankstelle kurz vor Nukus sind gut 450 km zu überbrücken.
Um 11.30 Uhr erreichten wir die Grenze zu Usbekistan. Nach gut zweieinhalb Stunden waren alle Teams ohne Probleme durch und es ging weiter nach Jazliq. Alsbald fuhren wir wieder über löchrige und sehr staubige Asphaltpisten. Immerhin wieder 70 km Leidensweg für Mensch und Maschine. Gestärkt durch die kasachische Erfahrung auf dem “Highway to Hell” nach Atyrau wussten wir: „Wir schaffen das“. Immer wieder kreuzten selbstmörderische wuschelschwanzige Wüstenmäuse die Fahrbahn. Ein Leckerbissen für die wenigen Greifvögel am Straßenrand. Über die Jahre haben findige Trucker parallel neben der Schweizer Käsefahrbahn eine Sandpiste geschaffen, die Alex und ich mit dem Allrad-Bulli ausprobierten. Wir wirbelten viel Staub auf und waren nur wenig schneller als vorher. Team 5 musste kurz vor unserem Tagesziel Jazliq hinten rechts das Rad wechseln. Glücklicherweise konnte der Reifen später in Nukus repariert werden.
Gegen 18 Uhr erreichte ich mit Mechaniker Alex die Herberge in Jazliq. Die Anderen waren schon vor uns da und tranken draußen in gemütlicher Runde den Sundowner umrahmt von unseren eingestaubten Oldtimern. Wir schlossen uns gern an. Später beim Sonnenuntergang gab es am Himmel über der Wüste das abendliche, rötliche Farbenspiel. Zwischenzeitlich wurden die Teams für die Nachtruhe zusammengestellt. Mehrbettenzimmer – Männer und Frauen getrennt. Wir waren zu viert im Zimmer und konkurierten beim Schnarchen miteinander.
Obwohl die Herberge nicht dem europäischen Standard entsprach, fühlte ich erstmals hautnah das Exotische an unserer Reise, das ich gesucht habe!
Tag 15: Jazliq-Nukus 271 km
Start in der Wüste um 8.00 Uhr in der Früh nach Nukus, 271 km lagen vor uns. Wir hatten einen Tag und eine Nacht ohne WiFi hinter uns und unsere Augen hatten auf Schongang geschaltet.
Bevor wir losfuhren musste ich unbedingt mit dem sympathischen Walter Brandstätter sprechen. Sein vollbepacktes Fahrrad parkte seit gestern Abend vor der Herberge. Der zierliche 63-jährige Österreicher erfüllte sich seinen Lebenstraum. Ein Jahr lang mit dem Bike allein tausende Kilometer durch Europa und Asien. Er schafft am Tag bei sehr guten Bedingungen bis zu 200 km. Sein Wasserverbrauch kann bei Hitze in den Bergen schon mal auf 7 Liter steigen. Er startete im November 2018 in Bangkok in Thailand und will Ende 2019 in Österreich zu Hause ankommen. Da sage ich neidlos: „Das ist eine wesentlich höhere Herausforderung als die Unsrige. Hut ab!“
Einen Wermutstropfen gab es am Morgen. Ein Benzinkanister auf dem Autodach eines unserer Teams wechselte in der Nacht ohne Absprache den Besitzer.
Wir fuhren los. Irgendwann tauchten Bohrtürme für Erdgas- oder Erdölförderung auf. Plötzlich war unsere Straße in einem perfekten Zustand. Naja, wir waren nun auf der ausgebauten Versorgungstraße und konnten Gas geben. 100 km/h waren erlaubt.
130 km nach unserem Start in Jazliq hielten wir an einem riesigen Salzsee an, um zu fotografieren. Kurz dahinter begann plötzlich tieferliegendes fruchtbares grünes Land. Fahrradfahrer einzeln und in kleinen Gruppen gehörten hier zum Straßenbild. Melonen wurden entlang der Straße auf großen Stapeln den Kunden angeboten. Mehrheitlich waren es Honigmelonen, die super schmeckten. Deshalb hielten wir an. Gleichzeitig entdeckten wir nicht weit entfernt einen riesigen Friedhof, der hunderte vierseitig gemauerte Grabstätten beherbergte. Die Mauern waren ungefähr 4x4m lang und 1,50m hoch. Wenn man hineinschaute, sah man eine mit Stroh bedeckte 2m lange Bahre, die wohl das Loch der Ruhestätte abdeckte. Mitunter gab es außen eine Granittafel mit dem Bild und dem Namen des Toten. Wegen der Hitze waren Kunstblumen als Grabschmuck vor der Tafel platziert.
Wir erreichten Nukus die Hauptstadt der autonomen Republik Karakalpakstan. Sie liegt am Ufer des Amurdaja. Es ist eine moderne Industriestadt mit einer Universität, die in den 1960er Jahren noch am Ufer des Aralsees lag. Durch die jahrzehntelange Ableitung des Wassers vom Amurdaja für den Baumwollanbau kommt nur noch wenig Nachschub im Aralsee an und er trocknet langsam aus. Deshalb liegt Nukus heute weit entfernt vom See.
Auf dem Weg zum Hotel durch breite, saubere Straßen kamen wir an geschäftigen Basaren und kleinen Parkanlagen vorbei. Es war Sonnabend und viele freundliche Menschen waren unterwegs. Wir begegneten Kindern, die wohl gegen Mittag gerade Schulschluss hatten. Alle trugen saubere Schulkleidung. Mädchen weiße Bluse und schwarzen Rock. Die Jungs hatten weiße Hemden an. Dazu gehörten lange schwarze Hosen. Die Mädchen wetteiferten untereinander mit vielfältigen Variationen der Frisuren und weißen Haarschleifen. Gegen 13 Uhr parkten wir vor unserem Hotel ein. Nach dem Einchecken trafen wir uns im gemütlichen, sonnengeschützten Innenhof des Hotels, der als Restaurant genutzt wird. Kaum angekommen ging es zum Nukus Kunstmuseum, dessen Exponate der Russe Witaljewitsch Sawitzki zusammengetragen hat. Wir hatten eine super Führung vom Museumsdirektor in fließendem Englisch. Von der Geologie am Aralsee, über Bestattungsrituale, die traditionelle Hochzeitsbekleidung der Bräute bis zu unter der Sowjetmacht entstandenen Kunstwerken, die aber damals nicht gezeigt werden durften. Es ist das Verdienst von Sawitzki, diese Malereien gesammelt und geschützt zu haben. Das Museum ist eine Empfehlung und unbedingt mit einer Führung zu erkunden.
Vor dem Museum waren Brautpaare zum Fotoshooting unterwegs. Ich musste mich mit einem Brautpaar zusammen ablichten lassen. Man zog mich gewissermaßen freundlich ins Bild. Es ist echt bemerkenswert, wie aufgeschlossen die Usbeken uns überall empfingen. Daumen hoch!!!
Da war noch ein Ereignis nach den Museumsbesuch, das ich erzählen muss. Außer mir mussten noch andere Teams Geld tauschen. 1 Euro = 10.000 So’m ist etwa der Kurs. Obwohl es Sonnabend war, hatten am Nachmittag noch Banken offen. Wir legten unsere Euro auf das Fach am Bankschalter, die Fachfrau hinter der Glasscheibe prüfte die Echtheit der Euro-Scheine und wir bekamen zügig ohne Passvorlage das Geld. Das waren ganze Packungen an Scheinen, die eine Zählmaschine ausgab. Frank tauschte 100 Euro und wurde mit einem 2 cm dicken Geldbündel So’m-Millionär.
Das leckere Abendessen wurde von zwei usbekischen Musikern instrumental und mit Gesang begleitet. Gute Nacht…
Wir wünschen allen eine pannenfreie Weiterfahrt und viele Eindrücke auf den nächsten Etappen in Usbekistan.
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